geboren 1961, fotografiere seit 20 jahren und arbeite ansonsten im
auswärtigen dienst.
die aufnahmen an den
verlassenen
orten um berlin wurden für mich im winter 2005/2006 zu einer
obsession und fotografischen therapie zugleich:
fiebrig von meinem foto-thema der beiden letzten sommer – den flüchtigen
blicken
vorbeieilender – hatte ich mich in die klare
winterkälte
gerettet.
flüchtige blicke wecken mitunter sehnsüchte, die von
denen, die sie auslösen, nicht gestillt werden
können.
solche blicke graben sich manchmal unbegreiflich tief ein, werden zu einer nagenden
idee, zu einem stechenden gefühl des ungenügens, dem
auch mit der zeit kaum beizukommen ist.
als idee ohne inhalt und gefühl ohne gesicht kleben sie
zäh
wie ein ausgespuckter kaugummi an den sohlen. man spürt es bei
jedem schritt. es geht einfach nicht mehr weg.
ähnlich ergeht
es verlassenen
gebäuden, ihren gängen und innenräumen, mit
ihren
ehemaligen bewohnern, die ihre wände bemalen, tapezieren,
beschreiben und mit ihren flüchtigen gerüchen
imprägnieren, bevor sie ebenso plötzlich verschwinden
wie sie
irgendwann erschienen sind.
verlassene gebäude schütteln ihre eingeschriebenen
erinnerungen nicht mit einem mal ab, sie schälen sich nur ganz
allmählich aus den hüllen, in die ihre benutzer sie hineingezwungen haben.
sich selbst
überlassen, gleiten
die tapeten und farbschichten mit langsamen, hypnotischen gesten zu
boden, bis sie der von der decke rieselnde putz am ende
vollständig bedeckt.
immer klarer treten die innenräume unter den kaskaden ihrer
abfallender schichten hervor, bis sie schließlich erst
durchscheinend werden und dann ganz verschwinden: ihre grenzen werden
porös und öffnen immer neue
übergänge zur
außenwelt, in die sie sich ergießen wie ein fluss
in ein
flaches stilles meer.
als besucher sieht man aus diesen im verfall geläuterten
räumen hinaus ins freie, als sei man plötzlich selbst
ein
unbestimmter letzter, vor lauter leere schmerzender gedanke, der
unruhig aus den augen dieses hauses schaut.
verlassene
gebäude leuchten. die
spuren ihrer ehemaligen bewohner glühen nach, bis sie dann
nach
zwanzig, dreißig jahren unlesbar werden und
schließlich
ganz verblassen.
Berlin, 3. September 2006